Published on November 12th, 2019 | by DJ LUKE
3PIONEER XDJ-XZ – Was habt ihr euch dabei gedacht?
Die Vorhänge sind gefallen, das Konfetti rieselte zu Boden, der Champagner ist verronnen. Einige Fans wuseln kreischend wie kleine Mädchen durch die Kommentarbereiche in sämtlichen DJ-Foren und Gruppen – bereits darüber philosophierend wann sie ihr Exemplar denn endlich bekommen würden, einige liegen bereits ohnmächtig auf dem Fußboden, denn Pioneer hat wieder Equipment vorgestellt. Dieses mal den XDJ-XZ Standalone Controller – das neue „Powerhouse“ (der Begriff ist am Tag der Vorstellung mindestens unendlich oft gefallen, ich werde ihn daher vermeiden).
Wie jedes mal wenn Pioneer neues Gear präsentiert sammeln sich Fanboys und Hater auf einem Fleck und werfen sich gegenseitig Argumente, Fakten, Fakten die keine sind oder Wahlweise auch Beleidigungen an den Kopf um herauszufinden, wer jetzt am meisten Recht hat. Machen wir uns nichts vor: Dieses mal war das Publikum gespaltener denn je. Ungewönlicherweise positionierte sich eine doch recht erhebliche Gruppe an Personen gegen das neue Flagschiff – zu wenig innovativ sei das Gerät. Ein Kommentar:
Zahlen und Fakten
Klappern wir kurz die Zahlen und Fakten der Konsole ab, die interessieren hier am wenigsten. Der XDJ-XZ ist 87cm breit, 47cm tief und 12cm hoch. Damit ist er ähnlich groß wie ein DDj-SZ, ist aber mit 13kg noch schwerer. Er ist aufgebaut wie der XDJ-RX2 – ebenfalls von Pioneer – nur dass er nicht über zwei, sondern vier Kanäle verfügt. Mittig über dem Mixer ist ein 7 Zoll Display angebracht, auf welchem Library und Waveforms im Standalone-Betrieb angezeigt werden. Ausgestattet mit den Fullsize-Jogwheels mitsamt Display vom DDJ-1000 und 8 Performance-Pads darunter macht das Gerät optisch richtig was her. Weiterhin verfügt er über folgende Anschlüsse:
- 2x Line In (RCA)
- 2x Phono In (RCA)
- 1x Aux In (RCA)
- 2x Mic (Kombibuchse)
- Master Out (Stereo XLR symmetrisch, RCA)
- Booth Out (6,3mm Klinke Stereo symmetrisch)
- Kopfhörer (3,5mm Klinke, 6,3mm Klinke)
- Send (6,3mm Klinke Stereo)
- 2x USB 2.0 Typ A (5V, 1A) Warum gibt es eigentlich keinen SD-Slot mehr?
- 1x USB 2.0 Typ B
- 3x Link (LAN, RJ45)
Der name XZ steht bei diesem Gerät für die Nutzbarkeit mit verschiedenen Programmen. Geräte mir S… ließen sich bisher immer mit Serato verwenden, Geräte mit R… mit Rekordbox. Das X… steht nun erstmalig für mehrere Programme (vermutlich im Sinne von „Cross-Plattform“). Ab Auslieferung unterstützt der Controller Rekordbox DJ, ab Anfang 2020 kommt noch Serato DJ Pro dazu.
Die Konsole ist laut unverbindlicher Preisempfehlung des Herstellers für 2300€ erhältlich, der Straßenpreis wird etwas darunter liegen. Damit ist der XDJ-XZ etwa 500€ teurer als sein kleiner Bruder, der XDJ-RX2.
Kennen wir das nicht schon alles…?
Beim ersten Blick auf die neue gottgleiche Schöpfung fällt auf: Kennen wir das nicht alles schon? Was erstmal klingt wie der Standardausruf eines jeden Haters manifestiert sich leider recht schnell als die Wahrheit. Der geübte Blick erkennt schnell, das Pioneer statt Gottes Schöpfung hier eher Frankensteins Monster zusammengebastelt hat. Die Jogs mitsamt Displays kennen wir vom DDJ 1000, die Performance Pads vom XDJ-RX2, die Mixersektion vom DJM 900 Nexus 2, das Display und die ringsherum angeordneten Knöpfe wurden bereits in sämtlichen anderen Standalone Geräten seit 2012 (CDJ 2000 Nexus) verwendet, so zentral angeordnet wurde es bereits im XDJ-RX2. Die Verwendung von bekannten Teilen muss erstmal auch nichts schlechtes bedeuten… kann aber.
Schauen wir uns den Mixer mal genauer an. Dieser hat wie bereits angesprochen eine nicht unübersehbare Ähnlichkeit zum DJM 900 Nexus 2. Lediglich das Display fehlt, was allerdings in das darüber liegende, zentrale Display integriert wurde. Kern des ganzen Geräts ist also ein sehr potenter Clubmixer. Inwieweit dieser auch klanglich einen Anteil leisten wird, werden erste Tests zeigen. Daumen hoch dafür. Ein Punkt den ich leider nach wie vor nicht verstehe ist folgender. Der ausgewählte Effekt wird oben im Display angezeigt. Ich kann also sämtliche Parameter dazu auf dem Display einsehen. Warum ist es also erforderlich, dass jeder Effekt um den Regler herum auf das Gehäuse gedruckt werden muss? Das sorgt dafür, dass man nicht nachträglich neue Effekte hinzufügen kann, wie es beim X1800 von Denon der Fall ist. Ich verstehe ja, dass man nicht so schnell darauf kommt, wenn es nicht existiert, aber andere Hersteller tun dies ja bereits. Naja gut, meckern auf hohem Niveau.
Widmen wir uns der zentralen Funktionalität eines Standalone-Controllers, nämlich seiner Fähigkeit ohne einen Laptop betrieben zu werden. Endlich 4 Kanäle! Es sind doch 4 Kanäle oder? … Was? … Nicht? In der Tat nicht! Der Controller kann nämlich nur zwei Decks (um genau zu sein Deck 1 und 2) Standalone ansteuern. Handelt es sich bei diesem Gerät wirklich um ein neues Flagschiff, oder ist es vielleicht nur ein aufgemotzter XDJ-RX2? Ich tendiere zu letzterem, denn es gibt für mich keinen plausiblen Grund in einem 4-Kanal Standalone-Controller nur zwei Standalone-fähige Kanäle unterzubringen. Was habe ich also für Optionen wenn ich ein 4-Kanal Standalone Setup haben möchte? Ich kann in meinen Musikladen des Vertrauens gehen, mir für über 2000€ zwei XDJ 1000 kaufen und diese per ProLink mit dem XDJ-XZ verbinden. Cool, aufpreispflichtige Standalone-Kanäle hatten wir bisher auch noch nicht – es gibt immer ein erstes mal. Scheinbar doch innovation bei Pioneer… Ja, ein Dualdeck-Modus ist nicht besonders übersichtlich bei so kompakten Geräten. Dennoch frage ich mich warum man so ein Feature nicht einfach einbauen kann und als Option besagte XDJs oder CDJs anschließen kann. Wir werden es nicht erfahren. Gleiches gilt übrigens für den Sampler, nur falls ihr gedacht habt es bleibt dabei. Der Ablauf ist der gleiche. Musikhaus des Vertrauens, 1100€ für den DJS 1000 auf den Tisch gelegt, angeschlossen, fertig.
Ich distanziere mich mittlerweile von dem Gedanken dieses Gerät als Standalone-System zu benutzen, es wirkt zu umständlich. Das ganze wird nicht gerade durch den Fakt bestärkt, dass man wie bei allen Pioneer Standalone-Produkten nach wie vor seine gesamte Mediathek am PC analysieren muss, bevor man damit produktiv arbeiten kann. Kein Problem, ich kann das Gerät ja mit Rekordbox und in Zukunft auch Serato DJ Pro verwenden. Sehen wir mal über den Fakt hinweg, dass man bei einem 2300€ Gerät noch die Rekordbox oder Serato DVS-Lizenz erwerben muss, um digital mit Plattenspielern arbeiten zu können, gleiches gilt für die Videofunktion. Ich verbinde also meinen PC mit dem Controller (technisch ist es ja jetzt einer) und stelle fest, dass es nur einen USB-Anschluss gibt. Nachdem man bei Pioneer sukzessive alle Mid- bis Highprice-Controller auf Dual-USB umgestellt hat sind offenbar nicht genug Buchsen für den XDJ-XZ übrig geblieben. Es ist also ohne Unterbrechung nicht möglich zwischen zwei DJs zu wechseln, die über PC auflegen wollen. Und was ist mit Wechseln zwischen Standalone-DJ und Serato-DJ? Die Zeit wird es zeigen, ich vermute hier und da noch die ein oder andere Überraschung.
Allmählich verliere ich die Lust über dieses Gerät zu schreiben, geschweige denn es zu Testen. Nach diesem Artikel werde ich von Pioneer ohnehin keine Demo-Unit mehr bekommen. Wir frühstücken noch schnell die letzten Features ab.
Lobenswert finde ich, dass der Controller über zwei Mikrofon-Eingänge mit separaten 3-Band-EQs verfügt. Diese kann man getrennt voneinander einschalten. Dazu gibt es einen Talkover. Haben zwar andere auch schon, aber immerhin. Integriert hat die Mikrofon-Sektion ebenfalls einen Feedback-Destroyer, den man zwischen „light“ und „heavy“ umstellen kann – praktische Sache wie ich finde, aber kein GameChanger.
Als gäbe es von 3-Band Equalizern noch nicht genug auf dem Gerät wurde nun auch noch einer zum Master gesetzt. Damit ist es möglich den Klang noch etwas an die Location oder PA anzupassen. Bei einem 3-Band-Equalizer zur Klanganpassung im Raum von „Feintuning“ zu sprechen (siehe Pioneer Werbeclip) finde ich dagegen beinahe schon zynisch. Jeder Veranstaltungstechniker würde sich dabei an die Stirn fassen wenn es gilt den Raumklang mit einem solchen Equalizer anzupassen. Das hat etwa den gleichen Wert wie einen Gehirntumor mit einer Astschere zu entfernen.
Der SD-Kartenslot ist entfallen, das Display hat immer noch die extrem geringe Auflösung von den Geräten von 2012 (glaube kaum dass das auch nur in die nähe von HD-Ready kommt) und das in Zeiten von UHD Displays in Smartphones, die üblichen Buttons und Knöpfe. Das wars. Mehr gibt es hier nicht zu sehen.
Erste Erklärungsversuche
Viel lieber als auf die technischen Details möchte ich allerdings auf die Reaktionen eingehen und das ganze einordnen. Wir machen einen Sprung zurück ins Jahr 2015. Der XDJ-RX kommt auf den Markt. Die erste Kompakte Standalone-Konsole, die zwar ein wenig abgespeckt, aber auch zu einem soliden Preis daher kommt. Direkt nach Release werden Stimmen laut, die eine 4-Kanal Version des Gerätes mit DualDeck Funktion wünschen, um den ultimativen Rundumschlag zu erzielen. Sie blieben unerhört. Zwei Jahre später bringt Pioneer im Jahr 2017 den Nachfolger XDJ-RX2 auf den Markt. Mehr Pads, besserer Mixer, das gleiche Display, aber nach wie vor nur zwei Decks. Es wird spekuliert, dass Pioneer Angst um sein CDJ- und XDJ-Lineup habe. Jetzt sind wir im Jahr 2019 angekommen und Pioneer macht wieder das gleiche. Bessere Jogs, besserer Mixer, das gleiche Display, aber wieder nur zwei Standalone-Kanäle. Was ist dieses mal anders gelaufen?
Nach jahrelanger Monopolstellung hat Pioneer mal wieder das bekommen, was man auf einem gesunden Markt findet – Konkurrenz. Denon DJ war nicht untätig und hat neben dem Clubsetup auch den Prime 4 vorgestellt, welcher das lang von Pioneer-Fans ersehnte 4-Kanal-Standalone Feature in einer modernen Umsetzung mit intuitivem Betriebssystem auf einem riesigen Screen zeigte. Der Einschlag des Geräts war heftig, noch heute gibt es Lieferengpässe. Mittlerweile hat der Prime 4 viele Updates bekommen und unterstützt sogar Musikstreaming. Eine hochgradig digitale Basis macht dies möglich. Auf dieses Gerät antwortet Pioneer mit dem XDJ-XZ, einem Gerät, welches sich technisch auf dem Stand von 2012 bewegt und Features wie Streaming niemals zu Gesicht bekommen wird.
Warum bringt Pioneer dieses Gerät auf den Markt? Oder anders: Warum bringt Pioneer kein Produkt, dass der Konkurrenz tatsächlich etwas entgegensetzt? Ich habe dazu verschiedene Theorien, die eine kaum positiver als die andere.
Pioneer „wollte“ kein besseres Gerät auf den Markt bringen. Dies ist zugleich die Universalantwort, welche Fanboys in den Communitys und Foren um sich werfen. „Pioneer wollte halt nicht mit dem Prime 4 konkurrieren!“ oder auch „Pioneer hat es nicht nötig ein Konkurrenzprodukt zu bringen!„. Gehen wir einfach mal davon aus es würde Stimmen – Was würde es bedeuten? Es würde bedeuten, dass Pioneer es in den letzten 7 Jahren nicht für notwendig gehalten hat den Usern für horrende Summen Hardware zu verkaufen, die aktuell ist. Es würde heißen, dass Pioneer den Usern lieber uralt-Technik von vorvorgestern zuschiebt, die aber trotzdem teuer sein darf als der Vorgänger, obwohl sich an der Hardware quasi nichts geändert hat (Bitte jetzt nicht auf einzelne Buttons zeigen). Das ganze natürlich verpackt in einen schönen Werbeclip uns als Innovation verkauft. Es würde heißen, dass Pioneer seine User für dumm verkauft. Und auch wenn ich diese These für sehr spannend halte und viele Fanboys vermutlich auch bei einer Zahle-4-bekomme-2-Geräte-Aktion „zuschlagen“ würden, tendiere ich eher zu folgender These.
Pioneer war nicht in der Lage ein besseres Gerät auf den Markt zu bringen. Das muss man erstmal Sacken lassen. Der Marktführer im DJ-Segment, der Platzhirsch in den Clubs hat es nicht fertig gebracht ein potenteres Gerät rauszubringen, als die Konkurrenz. Wie komme ich darauf? Wir brauchen uns gar nicht lange mit Buttons und Hardware auseinander setzen, denn in diesen Zeiten geht es um Software und Rechenleistung. Um ein so großes Display wie beim Denon Prime 4 zu betreiben, um 4 Songs gleichzeitig mit Effekten abzuspielen, um Musikfiles on-the-fly zu analysieren, um CuePoints und Loops zu speichern und um eine Lightshow zu steuern braucht es einfach mehr Power als zwei Musikfiles abzuspielen. Denon setzt in den Prime Geräten nicht ohne Grund auf Multicore-Prozessoren. Und mehr als eben diese zwei Musikfiles abzuspielen musste bisher nie ein Pioneer-Gerät können. Das erklärt auch das immer gleiche Display seit 2012. Man war nicht gezwungen neue Prozessoren zu verwenden, die mehr leisten können. Kostet ja auch mehr. Man war nicht gezwungen neue Displays zu verbauen, da sich der Funktionsumfang nie nennenswert erweitert hat. Man konnte einfach das Gerätedesign vergangener Produkte zu einem Neuen recyceln. Was hätte es Pioneer gekostet, eine Dualdeck-Funktion zu integrieren? 4 Buttons und etwas Softwareanpassung. Es sei denn die Software und damit verbunden die Hardware ist nicht in der Lage 4 Decks technisch zu ermöglichen (begrenzt durch Prozessorleistung, RAM, was auch immer) Dann wäre der Aufwand enorm, da eine komplett neue Basis geschaffen werden muss. Neue Chipsätze, neue Platinen, eventuell eine Kühlung per Lüfter, neue Software was das Coding betrifft, neue Toolings, neues Display (irgendwo muss da ja alles dargestellt werden) und vieles Mehr. Und deshalb stehen wir hier jetzt, mit einem neuen Gerät, welches beschränkt durch die alte Infrastruktur nicht innovativ sein kann. Und das kann man mittlerweile offenbar nicht mal mehr allen Fanboys verkaufen. Ehrlich gesagt auch gut so.
Der Internethumor
Das Feedback im Internet war bereits sehr durchwachsen. Interessanter und deutlich lustiger wird so eine fragwürdige Vorstellung nur noch, wenn das ganze im Internethumor und der damit verbundenen Memekultur ankommt. Das möchte ich an dieser Stelle niemandem vorenthalten. Meine Favoriten waren diese hier:
Was bleibt?
Am Ende bleibt uns ein neues Gerät von Pioneer, welches komplett an der Nachfrage vorbeigeschossen ist. Ja, es mag ein hochwertiges Gerät sein, ja es mag massenhaft gekauft werden (Fanboys sei dank!). Allerdings ist dieses Gerät weder eine Kampfansage noch ein Beweis von hoher Innovationsfähigkeit. Es ist der Beweis, dass Pioneer sich lange auf der Position des Marktführers ausgeruht hat und jetzt, in Zeiten von Konkurrenz am Markt, nicht mehr so richtig weiß, was sie tun sollen. Mit der Konkurrenz mithalten, aber nur so ein bisschen, weil man doch nicht so richtig was verändern will.
Der XDJ-XZ ist ein Warnzeichen, dass Pioneer auf dem Weg ist seinen eigenen Nokia Moment zu erleben.
Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit!
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